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#metoo - Gedanken einer Betroffenen

Aktualisiert: 10. Okt. 2020



Mein Name ist... irrelevant.

Ich bin Frau und Künstlerin.

Ich war Opfer von Machtmissbrauch und einem sexuellen Übergriff.


Als Reaktion auf mein Mich-zur-Wehr-Setzen und meine Zurückweisung habe ich damals alles verloren, abgesehen von meiner Würde als Mensch und Frau.

Ich wurde abgestraft, entwertet, verstoßen.

Und ich war nicht die Einzige.

Mein Name ist irrelevant, weil vermutlich jeder von euch jemanden kennt wie mich.

Damit KünstlerInnen in Zukunft nicht mehr derartigen Situationen ausgesetzt sein werden, ist es unsere Pflicht dagegenzuhalten, wann immer uns oder anderen Unrecht passiert.

Für uns und für unsere Töchter und Söhne.

Sie sollen besser beschützt sein, als wir es je waren.


Könnte ich all euren Kindern in einem Brief die Wünsche mit auf den Weg geben, die ich auch meiner Tochter mitgegeben habe, würde er so lauten:


„Ich wünsche mir, dass du dich als Künstlerin frei bewegen und dich völlig frei entfalten kannst.

Ich möchte dich voller Vertrauen und Zuversicht in deine Zukunft mit dem unerschütterlichen Glauben an das Gute in die Welt hinausschicken dürfen.

Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du dich niemals in missbräuchlichen Situationen wiederfinden wirst müssen, nur weil wir es verabsäumt haben, immer wieder aufzustehen und diesen Weg im Kampf gegen Machtmissbrauch zu Ende zu gehen.

Ich möchte dir guten Gewissens zurufen können: „Singe, spiele, folge deiner innersten Begabung." Habe den Mut, dich in der Kunst völlig zu öffnen, dem Publikum Einblick in dein Innerstes, in die verborgensten Winkel deiner Seele zu gewähren. Die Kunst selbst wird dein Schutzmantel sein, mehr sollst du nicht brauchen.“


Aber es wird mehr als meine Wünsche brauchen. Wünsche allein sind hehre aber hohle Poesie-Album-Sprüche. Wenn die Schwächeren und die Sanften nicht zum Verlieren oder zum Verhärten verdammt sein sollen, müssen wir alle solidarisch aufstehen, wann immer wir Zeugen von Machtmissbrauch werden. Und wir als Gesellschaft sollen und müssen uns auch immer wieder gerade den unbequemen Frage stellen:


Muss man einem großen Künstler alle negativen Aspekte seiner Persönlichkeit nachsehen, selbst dann, wenn sie andere Künstler schädigen?! 


Wie „schwierig" und (in Wahrheit) ruinös für seine Mitarbeiter, Untergebenen und Kollegen darf jemand sein, selbst wenn er imstande ist, große Säle/Konzertsäle mit Menschen zu füllen?

Muss bzw. darf man bei diesen Persönlichkeiten jede Entgleisung, jede persönliche Grenzüberschreitung nachsehen, nur weil sie ihr künstlerisches Handwerk so gut verstehen?

Trägt ihr übergroßes Ego und das rücksichtslose Überschreiten mitmenschlicher Grenzen vielleicht sogar dazu bei, die Faszination, die sie auf andere auszuüben imstande sind, zu vergrößern?)

Ist es andererseits wirklich wünschenswert, uns immer gerade von solchen Personen anhand ihrer Kunst etwas über das Leben erzählen zu lassen?

Können und sollen sie unsere künstlerischen Vorbilder sein, auch wenn sie auf menschlicher Ebene moralisch zutiefst verwerfliches Verhalten an den Tag gelegt haben?

Rechtfertigen künstlerische Höhenflüge jedes übergriffige, machtgierige oder sogar missbräuchliche Verhalten?

Müssen wir unbedingt in einer Welt leben wollen, in der immer nur die Brutalsten und deren Handlanger gewinnen?

Meiner Tochter möchte ich das jedenfalls nicht mitgeben müssen.

Meine Tochter sowie auch eure Kinder würde ich lieber in eine Welt entlassen können, die ihnen ein respektvolles, faires, uneigennützig-förderndes, wohlwollendes Umfeld bietet, frei von Missbräuchlichem, von manipulativen Entscheidungsträgern und Tonangebern.


Ich bin sicher, wir können das gemeinsam schaffen, wenn wir aufhören, wegzuschauen, Egomanen zu bewundern und ihr Tun stumm zu billigen.


Mein Name ist irrelevant.  Machtmissbrauch ist es nicht.





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